„Warum muss man züchten, solange noch so viele Hunde im Tierheim sitzen?“

Januar 2018

ICH.KANNS.NICHT.MEHR.HÖREN !!!

BITTE!!! Vergleicht doch BITTE nicht Äpfel mit Birnen!
Ich habe die letzte Zeit immer mehr das Gefühl, dass so mancher hier nur darauf wartet bis das Thema Rassehund bzw Zucht aufkommt, nur um sich darauf zu stürzen, mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu sagen ‚wie kannst du nur?‘ Man will gutes tun, hält sich für einen besseren Menschen und macht gleichzeitig andere schlecht und verurteilt sie? Wie passt sowas zusammen?

Ich sage es gleich vorab, ich gehe vom Idealfall aus. Einem seriösen Züchter ‚wie er im Buche steht‘, der die Bezeichnung Züchter auch verdient hat. Dass in der Zucht sehr viel Mist gebaut wird ist mir durchaus bewusst, ebenso ist jedoch auch im Tierschutz nicht alles Gold was glänzt.

Es gibt Leute, die sind im Tierschutz aktiv und retten arme Seelen aus dem Tierheim. Das ist auch gut und richtig so.
Es gibt Leute, die holen sich einen Hund vom (hoffentlich) seriösen Züchter. Auch dafür gibt es gute Gründe.

Es gibt Dinge wie Toleranz. Und Akzeptanz. Davon sollte sich so mancher eine Portion zulegen.

Jeder hat seine eigene Meinung und Erfahrungen gemacht. Der eine schlechte mit einem Hund vom Züchter, der andere mit einem Hund aus dem Tierschutz, der eine hat einen kranken Rassehund, der andere einen problematischen Mischling mit unbekannter Herkunft und Baustellen. Wie kommt man aber bitte auf die Idee andere zu verurteilen, weil diese anderer Meinung sind, basierend auf IHREN Erfahrungen, und andere Entscheidungen treffen? Wer nimmt sich bitte das Recht raus darüber zu urteilen, ohne die Hintergründe und den Weg zu dieser individuellen Entscheidung zu kennen? Möchtet ihr für EURE Entscheidung, für die ihr eure guten Gründe habt, verurteilt werden?

Seriöse Züchter füllen nicht die Tierheime. Die haben an diesem Leid selten schuld. Die wählen bereits passende Eltern aus, die ’sauber‘ im Kopf sind, möglichst einfach im Alltag, mit einem tollen Wesen, was sich an die Welpen vererbt. Die reißen sich wochenlang den ARSCH auf um die Welpen nach bestem Wissen und Gewissen groß zu ziehen, zu sozialisieren und best möglichst auf ihr weiteres Leben vorzubereiten. Die suchen PASSENDE Leute für ihre jeweiligen Welpen, stehen auch nach Abgabe mit Rat und Tat zur Seite um ein möglichst reibungsloses Zusammenleben zwischen Mensch und Hund zu ermöglichen und NEHMEN HUNDE ZURÜCK die abgegeben werden müssen und suchen erneut passende Menschen. Damit diese Hunde, vom bösen bösen Züchter, erst GARNICHT INS TIERHEIM KOMMEN.

Bleibt das Argument, warum für ‚Nachschub‘ sorgen?
Es wird eben NICHT für Nachschub gesorgt! Ein Züchter züchtet aus Liebe zur Rasse, für Menschen mit der selben Liebe zu dieser Rasse. Die produzieren keinen Nachschub, damit auch bloß die Tierheime nicht leer werden! Die züchten Hunde einer Rasse, für Leute die eben genau so einen Hund suchen. Aus welchem Grund auch immer, Optik mag sicher eine Rolle spielen, meist aber weil der Hund ALS GANZES zu dem Menschen passt. Die Charaktereigenschaften, der Arbeitswille, oder auch einfach nur weil man so einen Hund einmal kennengelernt hat und von diesem fasziniert war und sich in diese Rasse verliebt hat. Was ist daran verwerflich? Wenn man sich einen Hund in sein Leben holt, der möglichst gut zu einem passt? DAS kann man bei einem Hund vom Züchter nämlich vorab abschätzen, eben WEIL gezüchtet wird. Nicht nur auf Optik.

Welche Hunde sitzen denn nun im Tierheim? Ungewollte. Vom Vermehrer, aus dem Ausland ins Land geschiffte, vom Schwarzmarkt, vom ups-Wurf, vom ‚meine Hündin sollte einmal Welpen haben‘-Wurf, etc. Sicherlich vordergründig abgegeben aus Überforderung, Todesfall, Scheidungsopfer und ähnliche unvorhergesehene Vorfälle, aber eben aus Würfen hinter denen KEIN liebevoller Züchter steht, der seine Babys die er in die Welt gesetzt und mit viel Mühe aufgezogen hat, wieder zurück nimmt.

Das Problem der vollen Tierheime sind nicht die Züchter. Die haben das Leid nicht verursacht. Auch nicht die Leute, die beim Züchter kaufen. Deren Hunde nehmen auch keinem Hund aus dem Tierheim einen Platz weg. Der der aus welchem Grund auch immer beim Züchter kauft, kauft beim Züchter. Und geht nicht ins Tierheim.

Warum denn noch Tiere absichtlich in die Welt setzen? Eben WEIL die die das tun, NICHT für das Elend verantwortlich sind. Warum soll man keine Hunde züchten, nur weil andere Mist gebaut haben? Warum sollen Leute auf passende Hunde verzichten, nur weil andere Mist gebaut haben?

Warum züchtet man überhaupt? Weil man die Rasse liebt und positive Eigenschaften verbessern will, sowohl im Wesen als auch optisch, teils auch Arbeitseigenschaften. Das geht nur mit Sinn, Verstand und Wissen, und eben, mit Absicht. Gezielt, geplant, gut durchdacht.

Warum das sein muss? Die Frage ist eher, warum nicht? Haben Tierheim Hunde eine größere Daseinsberechtigung als Rassehunde? Müssen Menschen auf einen Hund der genau ihren Vorstellungen entspricht verzichten, weil es wo anders schon genug Hunde gibt? Wer sagt, dass diese Menschen im Tierheim fündig werden? Der Hund muss ja auch in das Leben und zu dem Menschen passen. Nicht jeder kommt mit einem Hund mit teils unbekannter Vorgeschichte klar, nicht jeder hat genug Erfahrung, aber jeder hat sein Leben und auch seine Vorstellungen und auch Anforderungen an den Hund. Und das ist auch in Ordnung, man teilt schließlich im besten Fall 10 und mehr Jahre mit dem Hund. Wem ist geholfen, wenn sowohl Hund als auch Mensch diese Zeit unglücklich verbringen oder der Hund wieder abgegeben wird weil sie nicht zusammen passen, sich mit der Zeit Macken und Eigenschaften zeigen womit der Mensch ein Problem hat?

Ein Welpe vom Züchter kommt ‚roh‘. Der lässt sich formen, erziehen, zum eigenen Leben passend, damit Hund und Mensch möglichst reibungslos und glücklich zusammenleben. Ein Hund aus dem Tierschutz hat seine Erfahrungen bereits gemacht. Auch wenn das keine großen Baustellen sein müssen, so bringt der Hund doch sein Päckchen mit. Womit man umgehen und sich darauf einstellen können muss. Bei manchem Hund ist die Vorgeschichte unbekannt, nicht alle Eventualitäten können im Tierheim getestet werden, bei vielen Hunden zeigen sich erst Macken und Gewohnheiten einige Zeit nachdem sie im neuen Zuhause angekommen sind, die sie zuvor im Tierheim nicht gezeigt haben. Nicht jeder Mensch hat die Erfahrung oder auch die Möglichkeit, sich darauf einzulassen. Nicht auf den Hund ansich, sondern die Probleme die mit einem Hund mit Vorgeschichte auf einen zukommen können.

Bei einem Mischling weiß man oft nicht, welche Rassen tatsächlich alles mitgemischt und sich vererbt haben. Ob sich der nette Hund zum Jäger entwickelt, ob er die Katze töten will, ob er mit Kindern ein Problem hat, ob er mit dem vorhandenen Hund Probleme bekommt, ob er die gesamte Nachbarschaft lautstark unterhält wenn er alleine bleiben muss, und und und. Muss man sich als Mensch ein Überraschungsei ins Haus holen, wenn man nicht bereit oder in der Lage ist damit umzugehen? Wer das kann und bereit dazu ist, möge bitte, bitte ins Tierheim gehen, dort einen Hund rausholen und ihm ein restliches schönes Leben ermöglichen. Wer das nicht kann, HAT ES NICHT ZU MÜSSEN, nur weil anderes nicht ins eigene Weltbild passt!

Jeder hat seine Erfahrungen gemacht und seine Meinung. Diese sind ebenso individuell wie es jeder Mensch ist. Wer nimmt sich das Recht raus, darüber zu urteilen? Man selbst muss andere Meinungen nicht gut finden oder verstehen können, aber kann man sie nicht akzeptieren? Muss man mit dem Finger auf andere zeigen und sagen ‚wie kannst du nur?‘ Tierschutz ist richtig und wichtig! Und natürlich ist in der Züchterwelt nicht alles rosarot und es wird sehr viel Scheiße gebaut. Aber man kann doch nicht alle über einen Kamm scheren! Nicht jeder züchtet kranke Hunde und wie viele Züchter heute sind an den Fehlern der Vergangenheit, einer breiten Masse schuld? ‚Die Züchter‘ sind viele, einzelne Individuen. Die individuell handeln, wo jeder einzelne Züchter für seine eigenen Entscheidungen verantwortlich ist, nicht für die einer breiten Masse oder gar früherer Generationen! Die kaputt-Züchtung einiger Rassen hat nicht erst vor 5 Jahren angefangen, da sind Fehler passiert und wurden falsche Entscheidungen getroffen. Lange, viele, von vielen Menschen. Von vielen anderen aber eben auch nicht. Wie kann man auf ‚die Züchter‘ schimpfen, wo ‚die Züchter‘ viele einzelne Individuen sind?

Jeder hat das Recht sich sein Leben so zu gestalten wie er es für richtig hält. Darüber steht keinem ein Urteil zu. Es gibt tolle Hunde im Tierheim, tolle Hunde beim Züchter, wichtig ist doch, dass Mensch und Hund zusammen passen und glücklich miteinander werden. Wichtiger, als auf biegen und brechen die ganze Welt retten zu wollen. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch. Und wer beurteilt das? Jeder für sich selbst. Sowie jeder selbst seine Entscheidungen verantworten muss und seine individuellen Gründe dafür hat. Was für den einen richtig ist, muss dies für den anderen nicht sein. Und weil eine Meinung richtig ist, muss eine andere nicht falsch sein. Manchmal schadet der Blick über den Tellerrand nicht und sich andere Meinungen anzuhören und darüber nachzudenken ohne direkt ablehnend zu verurteilen, erweitert den Horizont. Das schadet niemandem.
Text: Nicole Stöhr